Etymologie
Der Name „Lapislazuli“ ist eine zusammengesetzte Wortform aus dem lateinischen lapis („Stein“) und dem mittelpersischen lāžward (aus lāžvard, „blau“, ursprünglich der Name einer Fundregion in Badachschan, Nordost-Afghanistan). Das lateinische lapis lazuli bedeutet wörtlich „Stein des Lāžward“ oder „blauer Stein“ und findet sich seit dem Mittelalter im europäischen Sprachgebrauch als Handelsbezeichnung wieder. Die persische Wurzel lāžward wurde über das Arabische lāzaward ins Lateinische entlehnt und bezeichnete ursprünglich nicht die Farbe, sondern den Herkunftsort des Steins, was später metonymisch auf das Farbadjektiv übertragen wurde.[1] Bereits in arabischen medizinischen und mineralogischen Texten des 9. Jahrhunderts wird der Begriff lāzaward für den intensiv blauen Edelstein verwendet.[2]
Der Stein wurde im antiken Mesopotamien und Ägypten geschätzt, jedoch unter anderen Bezeichnungen wie uqnu (akkadisch) bekannt. Plinius der Ältere (23–79 n. Chr.) erwähnt in seiner Naturalis historia einen blauen Stein mit goldähnlichen Sprenkeln, den er sapphirus nennt, wobei sich die Beschreibung vermutlich auf Lapislazuli bezieht, obwohl die Bezeichnung heute mit dem Saphir assoziiert ist.[4] Auch Theophrast (um 371–287 v. Chr.) unterscheidet in seiner Schrift De lapidibus zwischen verschiedenen blauen Steinen, nennt jedoch keine eindeutig identifizierbare Bezeichnung für Lapislazuli.[5] Im Mittelalter wurde der Stein in lateinischen Texten meist als lapis lazuli oder sapphirus bezeichnet, etwa in den Lapidaria des 12. Jahrhunderts, darunter bei Marbod von Rennes (um 1035–1123), der dem „saphirus“ blaue Farbe und heilende Wirkung zuschrieb, was ebenfalls auf Lapislazuli hindeutet.[6] Von hierher stehen die Steinbezeichnungen lappis latzuli und Saphier historisch betrachtet in einem gewissen Zusammenhang.
Die moderne mineralogische Klassifikation identifiziert Lapislazuli als ein Gestein, das primär aus dem Mineral Lasurit besteht, häufig mit Einschlüssen von Calcit und Pyrit. Seine Klassifikation als Gestein, nicht als Einzelmineral, geht auf die mineralogischen Standards bei Max Bauer (1844–1917) zurück.[3]
Überlieferung & Mythos
Der Lapislazuli, ein intensiv blauer Stein mit Pyrit- und Calcit-Einschlüssen, wurde bereits in der Antike nicht nur als Schmuck- und Kultobjekt geschätzt, sondern auch als Heilmittel in der Volks- und Gelehrtenmedizin verwendet. Schon im Alten Ägypten galt Lapislazuli als „Himmelsstein“, der in Amuletten, Skarabäen und als pulverisierter Bestandteil ritueller Salben Verwendung fand. Man schrieb ihm reinigende und schützende Kräfte zu, insbesondere gegen das „Böse Auge“ und dämonisch gedachte Krankheiten.[1]
Bereits in der südasiatischen Mehrgarh-Kultur (ca. 5000 v. Chr.) wurde Lapislazuli als Schmuckstein verwendet. Die bedeutendsten historischen Abbaustätten befinden sich im nordafghanischen Koktscha-Tal, insbesondere bei Sar-e Sang, das seit über 6000 Jahren kontinuierlich genutzt wird. Von dort gelangte der Stein über Handelsrouten bis nach Mesopotamien, Ägypten und später Europa. In Mesopotamien galt Lapislazuli als „Stein der Götter“ und wurde in königlichen Gräbern, wie jenen in Ur, reichlich verwendet. Das Gilgamesch-Epos erwähnt ihn mehrfach, etwa im Zusammenhang mit dem Thron der Göttin Ishtar.[2]
Im Alten Ägypten war Lapislazuli ein Symbol für Göttlichkeit und Unsterblichkeit. Pharaonen trugen ihn als Schmuck und Amulett; besonders bekannt ist seine Verwendung in der Totenmaske des Tutanchamun, wo er die Augenbrauen und Augenränder ziert. Zudem wurde pulverisierter Lapislazuli als Lidschatten verwendet, was sowohl ästhetischen als auch schützenden Zwecken diente.[3]
Pedanios Dioskurides (1. Jh. n. Chr.), Militärarzt unter Kaiser Nero, erwähnte den Lapislazuli in seinem pharmakologischen Hauptwerk De materia medica als äußerlich anzuwendendes Mittel gegen Skorpionstiche, Augenleiden und zur Förderung der Wundheilung, warnte jedoch vor innerer Anwendung wegen starker abführender Wirkung.[4] Galenos von Pergamon (129–ca. 216) bezeichnete Lapislazuli in seinen De simplicium medicamentorum temperamentis ac facultatibus als ein heißes und trockenes Mittel, das vorsichtig zu dosieren sei.[5]
In der arabisch-islamischen Medizin wurde der Stein unter dem Namen „Lazaward“ verwendet. Avicenna (Ibn Sina, 980–1037) empfahl in seinem Qanun fi’t-Tibb (Kanon der Medizin) Lapislazuli zur Behandlung von Herzunruhe und Melancholie.[6] Hildegard von Bingen (1098–1179) führte in ihrem naturkundlichen Werk Physica den Lapislazuli als Heilstein gegen Schwermut und Herzleiden auf und empfahl das Tragen auf der Haut zur psychischen Stärkung.[7]
In der frühneuzeitlichen Volksmedizin wurde Lapislazuli innerlich wie äußerlich eingesetzt. Pulverisiert in Wein oder Honig diente er als Mittel gegen Asthma, Koliken und „verstopfte Leiber“. In Rezeptarsammlungen des 16. Jahrhunderts – etwa in Das buch der waren arznei (Frankfurt 1534) – wird Lapislazuli als Bestandteil des „Theriak Andromachi“ genannt, einer Universalarznei mit über 60 Ingredienzen.[8] Solche Anwendungen belegen die tiefgreifende Verankerung dieses Steins im medizinischen Weltverständnis der Vormoderne.
Als Pigment war Lapislazuli unter dem Namen „Ultramarin“ in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Malerei äußerst begehrt. Aufgrund seiner intensiven Farbe und Lichtbeständigkeit wurde er für die Darstellung himmlischer Szenen und Mariengewänder verwendet. Berühmte Künstler wie Giotto di Bondone (1267–1337) und Fra Angelico (ca. 1395–1455) nutzten ihn in ihren Werken. Der hohe Preis des Pigments führte dazu, dass es oft nur für besonders wichtige Bildteile verwendet wurde.[9]
In der islamischen Kunst fand Lapislazuli Verwendung in der Architektur, insbesondere in den blauen Kuppeln und Fliesen von Moscheen in Samarkand und Buchara. Auch in der persischen Lādschvardina-Keramik des 12. bis 14. Jahrhunderts wurde das Pigment eingesetzt.[10]
Besondere symbolische Bedeutung erlangte Lapislazuli im jüdischen Kult, wo er als einer der zwölf Edelsteine im Brustschild des Hohepriesters (Choschen) genannt wird, das nach der Beschreibung im Buch Exodus (Ex 28,17–20) die Namen der zwölf Stämme Israels trug. In der rabbinischen Tradition wird der sechste Stein, „Sappir“, häufig mit Lapislazuli identifiziert, obwohl die genaue Zuordnung umstritten ist. Der Stein wurde dabei als Träger göttlicher Erkenntnis und als Vermittler zwischen Gott und dem Volk verstanden, seine Farbe symbolisierte das Himmelsgewölbe und die göttliche Weisheit.[11]
Entstehung & Vorkommen
Lapis Lazuli ist ein metamorphes Gestein, bestehend aus einem Gemenge von mehreren Mineralphasen, wobei das intensiv blaue Lazurit (Na₃Ca(Al₃Si₃O₁₂)S) das farbgebende Hauptmineral ist. Es gehört zur Sodalithgruppe und kristallisiert kubisch. Die Bildung von Lapis Lazuli erfolgt unter kontakt- oder regionalmetamorphen Bedingungen in kalkhaltigen Sedimentgesteinen, häufig bei der Einwirkung von alkalireichen, sulfurhaltigen Fluiden auf Marmor. Der Metasomatismus führt zur Bildung von Lazurit zusammen mit Kalzit, Pyrit, Diopsid, Hauyn, Sodalith, Wollastonit oder Amphibolen[1],[2].
Die typischen Bildungsbedingungen umfassen Temperaturen von 400–600 °C bei mittlerem Druck, insbesondere in Kalksilikatgesteinen. Lapis Lazuli ist geologisch an kontakthermetamorphe Marmorvorkommen gebunden, häufig in Verbindung mit Skarnzonen. Die bekanntesten und historisch bedeutendsten Vorkommen liegen in Afghanistan (Sar-e-Sang, Badakhshan), seit über 6000 Jahren abgebaut. Weitere Lagerstätten existieren in Russland (Baikalregion), Chile (Ovalle), Tadschikistan, Myanmar, Pakistan und Kanada. Die geologischen Zusammenhänge sind jeweils vergleichbar: metasomatisch überprägte Karbonatgesteine mit sulfurhaltiger Fluidinfiltration[3],[4].
Aussehen & Eigenschaften
Lapis Lazuli erscheint als massiges, feinkörniges Gestein mit typisch intensiv blauer bis ultramarinblauer Farbe, oft mit weißlichen Kalzitadern und goldfarbenen Pyriteinsprenglingen. Die Farbe beruht auf Polysulfidionen (S₃⁻, S₂⁻), die im Kristallgitter des Lazurits in Tetraederlücken eingebettet sind und Licht im gelb-roten Bereich absorbieren, was den blauen Farbeindruck erzeugt[5].
Die Mohs-Härte liegt zwischen 5 und 5,5, die Dichte bei 2,7–2,9 g/cm³, abhängig vom Anteil der Nebenminerale. Der Bruch ist uneben bis splittrig, die Spaltbarkeit fehlt. Der Glanz ist glasartig bis matt, die Strichfarbe meist hellblau bis grünlichblau. Lapis Lazuli ist opakes bis leicht transluzentes Gestein, ohne optische Anisotropie (Lazurit ist kubisch, die Gesteinsmatrix kann jedoch heterogen sein).
In der Raman-Spektroskopie zeigt Lazurit starke Banden bei 547, 465 und 258 cm⁻¹, zusätzlich zu Kalzit- oder Pyritbändern je nach Zusammensetzung. UV-VIS-Spektroskopie weist die Absorptionsbande bei ca. 600–620 nm auf, typisch für Polysulfidionen[6]. Dünnschliffe zeigen eine feinkörnige Matrix mit meist xenomorpher Textur und unregelmäßiger Mineralverteilung. Pyrit erscheint als isometrische Körner mit starker Reflexion, Kalzit als blassgraue Matrix oder durchscheinende Adern.
Formel |
(Na,Ca)₈(AlSiO₄)₆(SO₄,S,Cl)₁–₂ |
Mineralklasse |
9 |
Kristallsystem |
kubisch |
Mohshärte |
5–5,5 |
Dichte |
2,7–2,9 |
Spaltbarkeit |
keine |
Bruch |
uneben bis splittrig |
Strichfarbe |
hellblau |
Farbe/Glanz |
Wachsglanz bis glasartig |
Manipulation & Imitation
Lapis Lazuli wird häufig geschliffen und poliert, v. a. als Kugel, Cabochon, Relief, Inlay oder Schmuckstein verwendet. Zur Verbesserung von Farbe und Oberflächenwirkung kommen verschiedene Behandlungen zum Einsatz. Ein häufiges Verfahren ist die Öl- oder Wachsbehandlung, bei der die poröse Oberfläche mit Paraffin, Wachs oder Harz versiegelt wird, um Farbe und Glanz zu intensivieren. Diese Behandlung ist unter dem Mikroskop oder durch FTIR-Spektroskopie (CH-Streckbänder bei 2850–2950 cm⁻¹) erkennbar[7].
Weiter verbreitet, aber intransparent deklariert, ist die Färbung von blassblauem Lapis mit Farbstoffen (z. B. Berliner Blau oder Anilinfarben), um qualitativ hochwertigeres Material vorzutäuschen. Diese Verfahren wurden bereits im 19. Jahrhundert dokumentiert und lassen sich durch Farbverläufe in Rissen, UV-Reaktion oder Acetonlöslichkeit der Farbe nachweisen. Besonders in Kombination mit Harz oder Kunststoff wird minderwertiges Rohmaterial oft als hochwertiger Lapis verarbeitet.
Imitationen sind zahlreich verbreitet: Besonders bekannt sind gefärbter Howlith, gefärbter Magnesit, Glas, blau eingefärbter Chalcedon oder Sinterkeramikmaterialien. Synthetischer Lazurit wurde für wissenschaftliche Zwecke hergestellt, hat jedoch keine wirtschaftliche Bedeutung. Ein weiteres Imitationsmaterial ist das sogenannte Gilson-Lapis, ein keramisches Produkt mit ähnlich blauer Farbe und Pyritpulverbeimengung, erkennbar an Isotropie und abweichendem Glanzverhalten.